Im Reich der Riesenspinne: Tief unten in einer Höhle in den Bergen
Gruppe junger Abenteurer betritt gruselige Höhle
Es war Sebastians Idee gewesen. Er war immer der Draufgänger in unserer Clique. „In den Bergen gibt es eine Höhle, die kaum einer kennt“, hatte er gesagt. „Kein offizieller Weg, keine Touristen. Nur wir, Stirnlampen und eine coole Zeit.“
Tobias hatte sofort begeistert genickt. Er liebte es, sich aufzuspielen, vor allem, wenn er mich damit necken konnte. „Na, komm schon, stell dich nicht so an. Das wird cool.“
Daniel hatte nur die Schultern gezuckt. Er war der Ruhigste, immer ein wenig abseits, aber wenn wir gingen, war er dabei.
Und ich? Ich hatte gezögert. Höhlen machten mir Angst. Diese Dunkelheit, die Enge. Aber ich wollte nicht die Spielverderberin sein. Also nickte ich, wenn auch mit klopfendem Herzen.
Die Öffnung der Höhle lag zwischen zwei Felsblöcken, schwarz wie ein Schlund. Schon von außen roch es modrig, feucht, nach Erde und etwas Süßlichem, das ich nicht einordnen konnte. Kalte Luft strich heraus, wie der Atem eines schlafenden Tieres.
„Los geht’s!“, rief Sebastian und marschierte voran. Seine Stirnlampe riss einen Lichtkegel in die Schwärze. Tobias folgte dicht hinter ihm, dann Daniel.
Ich trat als Letzte ein – und das Gefühl, dass der Berg sich über mir schloss, ließ mir sofort einen Schauer über den Rücken laufen.
Erste Schritte in der Dunkelheit
Die ersten Meter waren noch weit genug. Die Decke hoch, der Boden feucht, aber begehbar. Unsere Stimmen hallten dumpf zurück. Tobias machte Witze: „Perfekter Ort für einen Horrorfilm, oder? Fehlt nur noch die Leiche.“
Ich verdrehte die Augen, sagte aber nichts.
Nach wenigen Minuten wurde der Gang enger. Wir mussten uns ducken, manchmal seitlich drehen, um durch Spalten zu gelangen. Tropfen fielen von oben, platschend, als zählte die Höhle die Sekunden unseres Aufenthalts.
Dann spürte ich etwas an meinem Arm. Ein Faden, feucht, klebrig. Ich blieb sofort stehen.
„Da!“, sagte ich. „Seht ihr das?“ Sebastian leuchtete mit der Lampe. Ein dicker weißer Strang zog sich quer durch den Gang. Er glänzte wie Nylon, nur dass er lebendig wirkte. Er vibrierte leicht, als ob er atmete.
„Wow“, murmelte er. „Riesige Spinnen.“
„Das… Das ist doch nicht normal“, flüsterte ich. „So was spinnt keine normale Spinne.“
„Jetzt übertreib nicht“, lachte Tobias. „Hast wohl Angst, dass dich gleich ’ne kleine Hausspinne kitzelt.“ Mir schnürte es die Kehle zu. Von wegen Hausspinne. Aber sie gingen weiter. Ich hatte keine Wahl, als hinterherzuschleichen.
Die Kammer der Netze
Nach vielleicht zwanzig Minuten erreichten wir eine größere Kammer. Unsere Lampen glitten über die Wände und meine Beine wurden weich.
Überall hingen Netze. Nicht die zarten, filigranen, die ich aus Ecken daheim kannte, sondern dicke, zähe Bahnen, fingerbreit. Sie überspannten die Decke, den Boden, hingen in dichten Vorhängen von oben herab. Manche waren so dicht, dass sie wie Wände wirkten.
Und in diesen Fäden klebten Dinge. Dunkle Bündel, groß wie Menschen. Manche hingen an den Wänden, andere baumelten von der Decke. Die Formen darunter waren eindeutig: Arme, Beine, Köpfe. Eingewickelt, verdreht.
„Scheiße…“, entfuhr es Daniel. Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch.
Tobias versuchte zu lachen, aber es klang gezwungen. „Das sind bestimmt Tiere… oder Schaufensterpuppen oder so…“
Dann bewegte sich eines der Bündel. Ganz leicht. Es war kein Wind hier unten. Ich schlug die Hand vor den Mund.
Da hörten wir es. Ein Kratzen, ein rhythmisches Scharren, wie Krallen auf Stein. Von oben.
Wir richteten unsere Lampen nach oben. Und da war sie!
Riesige Spinne erscheint in der Höhle
Sie hing kopfüber an der Decke.
Ihr Körper war so groß wie ein Esstisch, glänzend schwarzbraun, behaart. Die Haare standen feucht verklebt ab und zwischen ihnen perlte ein öliger Schleim. Acht Beine, jedes so lang wie ich. Sie bewegten sich langsam, tasteten um sich und die spitzen Enden kratzten Geräusche in den Stein.
Dann ihr Kopf. Acht Augen, schwarz wie Glas, spiegelten unser Licht wider. Sie funkelten kalt, emotionslos, aber unnachgiebig. Darunter die Fänge: Zwei Haken, gebogen, getränkt in einer klaren Flüssigkeit, die bei jedem Tropfen ein leises Zischen machte, wenn sie den Boden berührte.
Ein Gestank breitete sich aus, süßlich-faul, wie verwesendes Fleisch.
Die Spinne löste sich lautlos von der Decke und landete vor uns. Der Boden vibrierte. Ich schrie.
„Rennt!“, brüllte Sebastian. Wir wirbelten herum. Doch Tobias stolperte, fiel direkt in ein Netz, das quer über den Boden gespannt war. Es klebte sofort an seinen Armen, Beinen, seiner Jacke. Er zerrte, fluchte, doch je mehr er riss, desto fester schnitten sich die Fäden in seine Haut.
Die Spinne war über ihm, ehe wir helfen konnten. Sie packte ihn mit zwei Beinen, drehte ihn um, ihre Fänge schnellten vor und bohrten sich in seinen Hals. Ein gurgelnder Schrei, dann ein widerliches Zischen.
Tobias zuckte noch, dann hing er schlaff. Die Spinne begann, ihn einzuwickeln. Mit einer Geschwindigkeit, die unmenschlich war, zog sie Fäden aus ihrem Leib, wickelte ihn rundherum, drehte ihn immer wieder, bis er in Sekunden völlig verschwunden war – ein Kokon, still und weiß.
Mein Schrei hallte in der Höhle und noch während er verklang, packte Sebastian meinen Arm. „Lauf!“
Im Reich der Riesenspinne: Kein Entkommen vor dem krabbelnden Tod
Wir rannten durch einen Seitengang. Netze rissen an meiner Kleidung, klebten in meinen Haaren. Ich spürte Blut, als ein Faden meine Haut aufschlitzte. Und Tränen schimmerten in meinen Augen. Hinter uns hörte ich das Scharren, die Beine, die schneller wurden.
Daniel stolperte, fiel, rappelte sich auf, doch da traf ihn ein Bein in den Rücken. Oder ein Stachel, ich wusste es nicht. Mit einem dumpfen Schlag wurde er gegen die Wand gedrückt. Er schrie, trat, doch ein zweites Bein fixierte ihn.
Ich sah, wie die Fäden ihn fesselten. Erst die Beine, dann der ganze Körper, eingewickelt in Schichten, während er verzweifelt brüllte. Dann kamen die Fänge. Ein Röcheln, das in Stille überging.
Ich konnte nicht hinsehen. Ich rannte, Tränen liefen mir übers Gesicht.
Sebastian versuchte, mutig zu sein. Er packte einen losen Felsen, schrie und warf ihn der Spinne entgegen. Er prallte ab, nutzlos.
„Verpiss dich!“, brüllte er, seine Stimme bebte. Die Spinne war über ihm, schneller als ein Mensch reagieren konnte. Er trat, schlug, schrie – doch sie packte ihn, presste ihn auf den Boden. Ich hörte, wie Knochen knackten.
„Lauf!“, brüllte er mir zu. „Lauf, verdammt!“
Dann erstickte sein Schrei in einem Schmatzen. Ich sah noch, wie seine Beine zuckten, während die riesige Spinne ihn aussaugte.
Ich stolperte davon, blind, das Herz hämmerte mir die Kehle hoch.
Versteck und Flucht: Junge Frau entkommt Riesenspinne
Ich fand eine Nische, kroch hinein, drückte mich zwischen kalte Steine. Meine Lampe flackerte. Ich hielt den Atem an.
Das Scharren kam näher. Beine kratzten über den Stein, langsam, lauernd. Ein Tropfen fiel auf meinen Arm: Schleim von ihren Fängen. Ich wagte nicht, mich zu bewegen.
Sie war direkt vor mir. Ich sah eines ihrer Augen durch einen Spalt funkeln. Sekunden zogen sich wie Stunden.
Dann zog sie sich zurück. Ich wagte kaum zu glauben, dass ich noch lebte.
Ich rannte wieder. Stolperte, kroch, riss mich durch Netze. Meine Haut war aufgeschlitzt, meine Hände voller Blut. Hinter mir hallten die Schritte, das Kratzen, das Tropfen.
Ein enger Gang. Ich zwängte mich hindurch, spürte ihre Beine fast an meinen Füßen. Mein Schuh blieb hängen, ich riss mich los, barfuß, aber frei.
Dann: Licht. Ein schwacher Schimmer von Mondschein. Ich war am Eingang.
Ich warf mich hinaus, fiel ins feuchte Gras. Kalte Nachtluft füllte meine Lungen. Ich drehte mich um und sah die Spinne im Eingang. Ihre Augen funkelten, ihre Fänge tropften. Doch sie kam nicht heraus.
Langsam zog sie sich zurück, verschwand wieder im Schwarz. Und ich rappelte mich auf und rannte, bis ich erschöpft zusammenbrach.
Ich war die Einzige, die entkam. Tobias, Daniel, Sebastian… Sie hängen noch dort unten, eingewickelt, leer. Niemand glaubt mir. Sie sagen, es sei ein Unfall gewesen. Dass wir uns verlaufen hätten.
Aber nachts, wenn ich die Augen schließe, höre ich wieder das Scharren, das Tropfen, das Schmatzen. Und ich weiß: Sie wartet noch immer. Und sie wird nie satt.