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Aufzug in den Untergang: Der Fahrstuhl des Grauens

Später Feierabend im leeren Gebäude

Es war schon nach 22 Uhr, als Lukas den Rechner herunterfuhr. Die Bildschirme im Großraumbüro waren dunkel, die Reihen der Schreibtische leer. Nur das Summen der Neonröhren und der leise Brummton der Klimaanlage füllten die Stille.

Lukas war der Letzte im Büro. Alle anderen hatten längst den Feierabend genossen, doch ein wichtiger Bericht hatte ihn aufgehalten. Er war müde, aber zufrieden: die Arbeit war erledigt, der Chef würde beeindruckt sein.

Mit einem tiefen Seufzen griff er nach seiner Aktentasche und machte sich auf den Weg zum Aufzug. 

Die Flure waren unheimlich still, nur seine Schritte hallten. Als er den Knopf für den Fahrstuhl drückte, hörte er das ferne Rattern der Mechanik. Ein leises Klingeln, dann öffneten sich die Türen.

Ein unsicheres Gefühl in der Kabine des Aufzugs

Die Kabine war hell, klinisch sauber, wie immer. Edelstahlwände, ein Spiegel an der Rückseite, weiches Summen der Lüftung. Lukas stieg ein, drückte „Erdgeschoss“ und lehnte sich zurück.

Zuerst war alles normal. Der Aufzug setzte sich ruckfrei in Bewegung, und Lukas spürte, wie der Druck in seinen Ohren leicht nachgab. Doch dann – ein Rucken. Ein metallisches Knirschen. Die Kabine stoppte abrupt.

Das Licht flackerte. Einmal, zweimal. Dann Dunkelheit.

Lukas’ Herzschlag beschleunigte sich. „Na toll“, murmelte er. „Perfektes Timing.“

Er griff nach dem Notrufknopf, hörte ein leises Knistern in der Gegensprechanlage, aber niemand antwortete. Dann, so plötzlich wie es ausgegangen war, ging das Licht wieder an.

Und da stand jemand.

Der Fremde im Fahrstuhl

Lukas fuhr zusammen. Vor wenigen Sekunden war er allein gewesen, da war er sich sicher. Jetzt stand ein Mann in der Ecke der Kabine. Groß, hager, in einen dunklen Mantel gehüllt. Das Gesicht halb im Schatten, die Augen seltsam ruhig.

„Wo kommen Sie denn her?“ fragte Lukas, die Stimme angespannter als er wollte.

Der Mann lächelte kaum merklich. „Ich fahre schon die ganze Zeit mit.“

„Das kann nicht sein, ich war allein…“ Lukas brach ab. Vielleicht war der Mann eingestiegen, bevor er es bemerkt hatte? Unmöglich – die Türen waren geschlossen gewesen.

Der Fremde machte einen Schritt vor. „Schlechte Nacht, um allein zu sein, finden Sie nicht?“

Lukas wich zurück, bis sein Rücken die kalte Metallwand spürte. „Was wollen Sie?“

Ein unheilvolles Gespräch im Aufzug

Die Kabine stand still. Kein Geräusch, kein Summen, nur der leise Atem der beiden Männer.

„Ich will nur reden“, sagte der Fremde. „Sie arbeiten zu viel, Lukas.“

Lukas’ Herz setzte einen Schlag aus. „Woher wissen Sie das. Und woher kennen Sie meinen Namen?“

Der Mann neigte den Kopf. „Ich weiß mehr, als Sie denken. Zum Beispiel, dass Sie oft spät bleiben, um Eindruck zu machen. Und dass Sie allein sind.“

„Wer sind Sie?“ Lukas’ Stimme war kaum noch ein Flüstern.

Der Mann schob die Hände in die Taschen seines Mantels. „Jemand, der schon lange in diesem Gebäude ist. Jemand, den niemand mehr sieht.“

Die Fahrt nach unten wird unheimlich

Plötzlich ruckte der Fahrstuhl. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung, aber die Anzeigen flackerten. Die Kabine schien tiefer zu sinken als gewöhnlich. Stockwerk um Stockwerk zog vorbei, doch statt bei „0“ zu stoppen, ging es weiter. Immer tiefer.

„Was passiert hier?“ rief Lukas.

Der Fremde sah ihn ruhig an. „Wir fahren tiefer. Dorthin, wo sonst niemand hinkommt.“

Lukas drückte panisch auf alle Knöpfe, doch nichts reagierte. Die Gegensprechanlage rauschte nur leise.

„Hören Sie auf damit“, sagte der Mann ruhig. „Es ändert nichts. Unten ist es still. Dort hört Sie niemand.“

Unten angekommen – oder doch nicht?

Die Kabine stoppte mit einem schweren Ruck. Die Türen öffneten sich, doch statt des bekannten Foyers sah Lukas einen dunklen Gang. Betonwände, feucht, roh, schwach beleuchtet von flackernden Röhren.

„Hier ist niemand“, stieß Lukas hervor.

„Doch“, sagte der Fremde und trat hinaus. „Folgen Sie mir.“

Lukas blieb wie angewurzelt stehen. „Nein, ich bleibe hier.“

Der Mann lächelte. „Das werden Sie nicht.“

Er streckte die Hand aus und für einen Moment schien die Luft um ihn zu flirren, als wäre er nicht ganz real.

Aufzug in den Untergang

Lukas stolperte zurück in die Kabine, drückte verzweifelt die Türschließen-Taste. Die Türen bewegten sich langsam, viel zu langsam. Der Mann machte einen Schritt, dann noch einen.

„Sie können nicht weglaufen“, flüsterte er nur. „Ich warte schon lange auf jemanden wie Sie.“

Die Türen schlossen sich, doch Lukas atmete nicht auf. Im Spiegel der Kabine sah er sein eigenes Spiegelbild. Und hinter sich: den Mann.

Aber nicht als Fremden. Es war Lukas selbst. Blass, hager, mit Augen, die keine Farbe mehr hatten.

„Ich bin schon längst nicht mehr oben“, flüsterte der Spiegel-Lukas. „Du bist nur der Letzte, der es merkt.“

Die Lichter erloschen. Endgültig.

Am nächsten Morgen fanden die Reinigungskräfte den Fahrstuhl leer, die Türen weit offen. Niemand wusste, warum die Anzeige eine Etage zeigte, die es im Gebäudeplan nicht gab.

Portrait des Autors
Autor · SEO · Nerd

Matt Pülz

Matt ist SEO mit einer Leidenschaft für das Schreiben. Er liebt Horrorgeschichten und kreatives Schreiben im Allgemeinen.

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