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Die zweite Familie: Kind verschwindet draußen in der Nacht

Junge spricht von zweiter Familie

Es begann unscheinbar. Paul saß am Frühstückstisch, löffelte seine Cornflakes und sagte beiläufig: „Heute Nacht war die andere Mama wieder da.“

Seine Mutter legte den Löffel ab. „Welche Mama, Liebling?“

„Die am Fenster“, erklärte Paul, als wäre es das Normalste der Welt. „Sie und der andere Papa. Sie wollen, dass ich mit ihnen komme.“

Die Eltern tauschten Blicke. Fantasie, dachten sie. Paul war schon immer fantasievoll, liebte Geschichten, erfand unsichtbare Freunde. Doch etwas an seiner Stimme war anders. Ernst, als sei es keine Erfindung.

Eltern bemerken unheimliches Klopfen

In den folgenden Nächten hörten die Eltern es selbst: Leises Klopfen am Fenster. Immer kurz nach Mitternacht. Drei Schläge. Pause. Drei Schläge.

Sie gingen in Pauls Zimmer, doch dort war nichts. Nur der Junge, der aufrecht im Bett saß, die Decke bis ans Kinn gezogen. Seine Augen glänzten im Mondlicht.

„Sie sind hier“, flüsterte er. „Sie stehen draußen und warten.“

Der Vater riss die Gardinen auf. Nichts. Nur der Garten, der im Wind schwankte.

„Da ist niemand!“, sagte er scharf. „Es reicht jetzt mit dieser Geschichte.“

Paul schwieg. Doch seine kleinen Finger krallten sich so fest in die Bettdecke, dass die Knöchel weiß hervortraten.

Kind beschreibt zweite Eltern immer genauer

Mit jeder Nacht wurden Pauls Beschreibungen klarer.

„Die andere Mama sieht fast so aus wie du, Mama. Aber ihre Haare sind schwarz wie Rauch. Und ihre Augen… ihre Augen sind nicht richtig.“

„Wie meinst du das?“

Paul dachte nach. „Sie sind zu groß. Und sie blinzeln nicht. Der andere Papa steht immer hinter ihr. Er hat ein Lächeln, das nicht weggeht. Und wenn er lacht, hört es sich an wie… wie wenn man einen Stein über Glas kratzt.“

Die Mutter schauderte. „Paul… warum erfindest du so etwas?“

„Ich erfinde es nicht“, sagte er ernst. „Sie sagen, ich gehöre zu ihnen. Ich hätte nie hierher gehört.“

Am selben Abend fand die Mutter kleine Abdrücke am Fensterrahmen. Fingerabdrücke, blassgrau, wie von Staub. Aber größer als die Hände eines Kindes. Viel größer.

Schaurige Nächte werden immer unheimlicher

Die Eltern versuchten, Pauls Zimmer nachts zu verriegeln. Sie nagelten sogar das Fenster zu. Doch das Klopfen hörte nie auf.

Und manchmal, ganz schwach, hörten sie Stimmen. Von draußen. Flüsternd, drängend.

„Paul… komm zu uns…“

Einmal erwachte die Mutter und sah Paul nicht im Bett. Panisch stürmte sie ins Wohnzimmer und fand ihn dort am Fenster stehen, die Hand ausgestreckt, als wolle er den Riegel öffnen. Seine Augen waren glasig, als stünde er im Traum. Wie in Trance.

„Paul!“, schrie sie und riss ihn zurück.

Er blinzelte und begann zu weinen. „Aber sie haben gesagt, sie nehmen mich mit. Sie warten schon so lange auf mich.“

Kind verschwindet spurlos in der Nacht

In der letzten Nacht kam das Klopfen lauter, drängender, wie Fäuste gegen Glas.

Die Eltern rannten in Pauls Zimmer und sahen nur, wie das Fenster offenstand. Der Nagel, mit dem es verriegelt war, war verbogen, als hätte ihn etwas von außen aufgedrückt.

Der Vorhang flatterte im Wind. Das Bett war leer.

„Paul!“, rief die Mutter ins Dunkel. „Paul!“

Draußen, am Rand des Gartens, sahen sie zwei Gestalten. Schwarze Gestalten, nur beleuchtet vom Mond, groß, unbeweglich. Zwischen ihnen eine kleinere Gestalt, die sie an der Hand hielt.

Die Mutter schrie, der Vater rannte hinaus. Doch die Gestalten schwebten hinfort, Stück für Stück, ins Dunkel hinter den Bäumen.

Als er den Rand des Gartens erreichte, waren sie verschwunden. Kein Laut, keine Spur. Nur das Echo eines Kinderlachen… Schwach, fern, fremd.

Paul kehrte nie zurück.

Portrait des Autors
Autor · SEO · Nerd

Matt Pülz

Matt ist SEO mit einer Leidenschaft für das Schreiben. Er liebt Horrorgeschichten und kreatives Schreiben im Allgemeinen.

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